Veranstaltung: | Bezirksgruppe Xhain 08.04.2025 |
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Tagesordnungspunkt: | TOP 3.2 Racial Profiling |
Antragsteller*in: | Vielfaltspolitisches Team (dort beschlossen am: 12.01.2025) |
Status: | Eingereicht |
Antragshistorie: | Version 2 |
A2: Konsequente Bekämpfung von Racial Profiling und rechtswidriger sowie rassistischer Polizeigewalt
Antragstext
Bündnis 90/Die Grünen Berlin setzen sich für eine rechtstaatliche und
diskriminierungsfreie Polizeiarbeit, die konsequente Bekämpfung von Racial
Profiling und rassistischer Polizeigewalt ein. Als menschenrechtsbasierte Partei
können wir es nicht hinnehmen, dass Menschen durch staatliches Handeln
diskriminiert werden.
Wir fordern:
Einrichtung einer unabhängigen Beschwerdestelle für Polizeigewalt
Eine zentrale Forderung zivilgesellschaftlicher Organisationen ist die Schaffung
einer unabhängigen Beschwerdestelle für Fälle von Polizeigewalt. Mit dem
unabhängigen Polizeibeauftragten in Land und Bund haben wir eine Anlaufstelle
für Beschwerden und die neutrale Vermittlung in Konflikten zwischen Behörde und
Bürger*innen geschaffen. Die juristische Aufarbeitung von Dienstvergehen wird
jedoch weiterhin durch die Polizei selbst vorgenommen. Wie bereits in anderen
Ländern üblich, sollen diese Ermittlungen zukünftig außerhalb der
Polizeistrukturen angesiedelt sein. Die Beschwerdestrukturen sollen Betroffenen
von Polizeigewalt, Zeug*innen, Polizist*innen und weiteren Personen offenstehen
und mit weitreichenden Ermittlungsbefugnissen ausgestattet werden. Wir
unterstützen diese Forderung und setzen uns für die zügige Einrichtung einer
solchen Stelle in Berlin ein.
Insbesondere sollen Polizist*innen, die rechtswidriges Handeln von Kolleg*innen
melden, keine negativen Konsequenzen fürchten müssen. Betroffene von
rechtswidriger Polizeigewalt benötigen zudem häufig finanzielle und juristische
Unterstützung. Deshalb setzen wir uns für eine (finanzielle) Förderung und
nachhaltige Etablierung von Beratungsstellen für Betroffene ein.
Zentralisierung der Ermittlungszuständigkeit für Fälle von Polizeigewalt
mit Todesfolge sowie Todesfälle in Polizeigewahrsam bei einer
Sondereinheit der Bundesanwaltschaft
Sollte es in Polizeigewahrsam oder nach Anwendung von Polizeigewalt zu
Todesfällen kommen, sollte die Ermittlungszuständigkeit zentral bei einer
speziell hierfür eingerichteten und ausgestatteten Einheit der
Bundesanwaltschaft liegen, um die erforderliche Distanz und Unabhängigkeit der
ermittelnden Personen sicherzustellen sowie Erfahrungen zu bündeln und mögliche
strukturelle Muster zu identifizieren.
Verpflichtende Kennzeichnung für Polizeibeamt*innen
Wir bekräftigen unsere Forderung nach einer individuellen Kennzeichnungspflicht
für alle Polizeibeamt*innen, auch in geschlossenen Einheiten, die in Berlin
bereits Praxis ist. Beim Einsatz der Bundespolizei oder Unterstützungskräften
aus anderen Bundesländern muss dies ebenfalls sichergestellt werden. Dies erhöht
die Transparenz und erleichtert die Aufklärung möglicher Übergriffe.
Verbot von verdachtsunabhängigen Kontrollen
Wir fordern ein gesetzliches Verbot von verdachtsunabhängigen
Personenkontrollen, da diese Racial Profiling begünstigen. § 21 Abs. 2 Nr. 1
ASOG Berlin1 ist entsprechend zu streichen. Anlasslose Kontrollen sind ein
Einfallstor für Racial Profiling und widersprechen dem Grundsatz, dass die
Polizei Verdachtsmomente braucht, um eine Maßnahme durchzuführen. Menschen, die
wiederholt von Racial Profiling betroffen sind, verlieren das Vertrauen in die
Unparteilichkeit des Staates. Dies führt in betroffenen Communities zu einer
Verstärkung von Misstrauen gegenüber der Polizei. Menschen unter Generalverdacht
zu stellen, erschwert eine nachhaltige Arbeit der Polizei in besonders von
Racial Profiling betroffenen Gebieten.
Ein Recht auf Kontrollquittungen
Bei einer Polizeikontrolle sollen Betroffene das Recht bekommen, eine
Kontrollquittung unter Nennung des Anlasses der Kontrolle einzufordern. Wer Ziel
einer polizeilichen Maßnahme wird, etwa einer Personenkontrolle, fühlt sich oft
bedrängt oder unter unberechtigtem Verdacht. Wir wollen unbürokratische
Nachweis- und Aufklärungspflichten einführen, so dass jede*r weiß, welcher
Verdachtsmoment einer Kontrolle zugrunde lag und welche
Rechtsschutzmöglichkeiten es gibt. Auch Polizist*innen überprüfen damit die
eigenen Maßnahmen auf notwendige Verdachtsmomente und stärken die eigene
Willkürkontrolle. Somit werden insgesamt Transparenz über polizeiliches Handeln
und die Informationsrechte und Rechtsschutzmöglichkeiten von Betroffenen
gestärkt.
Ausbau von Aus- und Fortbildungsmaßnahmen
In der Ausbildung der Berliner Polizei, sowohl an der Polizeiakademie als auch
an der Hochschule für Wirtschaft und Recht, hat sich in den vergangenen Jahren
viel getan. Der weitere Ausbau von verpflichtenden Aus- und
Fortbildungsmaßnahmen für Polizeibeamt*innen zu den Themen Rassismus,
Diskriminierung und interkulturelle Kompetenz stärkt Kommunikations- und
Deeskalationsfähigkeit. Auch Einsatznachbereitungen und Supervisionsangebote
wollen wir ausbauen. Dabei sollen zivilgesellschaftliche Organisationen und
Wissenschaftler*innen maßgeblich eingebunden werden.
Förderung von Vielfalt in der Polizei
Die Berliner Polizei ist bereits heute die vielfältigste Polizei im Bundesgebiet
und das wirkt sich positiv auf die Polizeiarbeit in einer vielfältigen
Stadtgesellschaft aus. Wir setzen uns weiterhin für gezielte Maßnahmen ein, um
den Anteil von Menschen mit Migrationsgeschichte und nicht weißen Menschen in
der Berliner Polizei zu erhöhen und Diskriminierung innerhalb der
Polizeistrukturen abzubauen.
Wissenschaftliche Studie zu Rassismus in der Polizei
Wir fordern die konsequente Durchführung einer unabhängigen wissenschaftlichen
Studie zu rassistischen Einstellungen und deren praktischen Auswirkungen in der
Berliner Polizei. Leider wurden bisher die Empfehlungen der ersten Berliner
Polizeistudie nicht umgesetzt, an der zweiten Runde der MEGAVO-Studie des
Bundesinnenministeriums beteiligte sich die Berliner Polizei nicht. Wir setzen
auf eine evidenzbasierte Innenpolitik, die wissenschaftliche Erkenntnisse ernst
nimmt und aus Fehlern lernt, um dem Anspruch einer modernen Hauptstadtpolizei
gerecht zu werden.
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1 ASOG steht für Allgemeines Gesetz zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und
Ordnung in Berlin. In § 21 ASOG geht es um die Identitätsfeststellung bzw.
Identitätskontrolle. In Abs. 2 ist geregelt, dass Identitätsfeststellungen
unabhängig von einem konkreten Verdacht an Orten erfolgen dürfen, die als
“kriminalitätsbelastet” eingestuft sind. Diese Orte sind dadurch gekennzeichnet,
dass “dort Personen Straftaten von erheblicher Bedeutung verabreden, vorbereiten
oder verüben”.
Begründung
Die große Mehrheit der Polizeibeamt*innen hält sich bei ihrer Arbeit an Recht und Gesetz sowie das Diskriminierungsverbot des Grundgesetzes. Sie setzen Gewalt in der Regel nur als ultima ratio ein, um Schaden von anderen oder sich selbst abzuwenden. All diesen Polizist*innen stärken wir den Rücken. Es wäre falsch, Polizist*innen unter den Generalverdacht zu stellen, aus rassistischen Motiven heraus Menschen zu kontrollieren oder ihnen Gewalt anzutun.
Zahlreiche Fälle der vergangenen Jahrzehnte zeigen zugleich, dass es sich bei Racial Profiling und rassistischer Polizeigewalt nicht nur um Einzelfälle handelt. Auch innerhalb der Polizeibehörden ist bekannt, dass Vorfälle oftmals nicht angemessen adressiert oder aufgearbeitet werden. Vielmehr ist naheliegend, dass strukturelle Gegebenheiten, wie das Fehlen einer unabhängigen Beschwerdestruktur dazu führen, dass das rechtswidrige Handeln von Polizist*innen in nahezu allen Fällen keinerlei Konsequenzen hatte.
Rechtswidrige und rassistische Polizeigewalt sowie Racial Profiling sind bundesweit ernstzunehmende Probleme. Der aktuelle Policy Brief des Sachverständigenrats für Integration und Migration zeigt, dass Menschen, die als BIPoC wahrgenommen werden oder denen ein Migrationshintergrund zugeschrieben wird, deutlich häufiger von Polizeikontrollen betroffen sind. Dies verletzt nicht nur das Diskriminierungsverbot des Grundgesetzes, sondern untergräbt auch das Vertrauen in staatliche Institutionen. BIPoC, also Menschen, die von strukturellem Rassismus betroffen sind, werden auch überproportional häufig Opfer von schwerer Polizeigewalt, insbesondere Gewalteinwirkung mit Todesfolge - häufig ohne, dass daraus angemessene Konsequenzen für die Täter*innen folgen. Damit wird auch das Vertrauen in die Arbeit der Polizei beschädigt, insbesondere wenn Taten bagatellisiert, abgetan oder nicht sachgerecht durch staatliche Institutionen aufgearbeitet werden.
Da Polizist*innen stellvertretend das staatliche Gewaltmonopol ausüben, müssen an sie besonders hohe Anforderungen gestellt werden. Als Gesellschaft können wir nicht akzeptieren, wenn Menschen aufgrund von rassistischen Zuschreibungen, die sich in der Stereotypisierung von Menschen in ethnische Gruppen äußert, häufiger und intensiver Opfer von Gewalt und Diskriminierung durch die Polizei werden.
Das Versprechen unserer Demokratie: die Gleichbehandlung aller Bürger*innen durch den Staat und seine Organe, muss jederzeit erfüllt werden. Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit durch Akteur*innen des Staates stellen wir uns im Sinne der Menschenwürde in Art.1 GG entschieden entgegen.
Als Bündnis 90/Die Grünen Berlin setzen wir uns seit langem für eine diskriminierungsfreie Polizeiarbeit ein. Mit den hier formulierten Forderungen wollen wir einen Beitrag dazu leisten, strukturellem Rassismus und rassistischer Polizeigewalt entgegenzuwirken und das Vertrauen zwischen Polizei und Bevölkerung zu stärken. Berlin kann erst sicher sein, wenn alle Menschen sich sicher fühlen können!